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  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

LAG Halle, 27.06.2019 - 2 Sa 308/16: Vorsicht bei scheinbarer Kündigung nach § 1a KSchG

Im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) befindet sich in § 1a (Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung) eine Bestimmung, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, bereits im Kündigungsschreiben ein Abfindungsangebot zu unterbreiten, welches bei Verstreichenlassen der Frist für die Kündigungsschutzklage zum Tragen kommt.


§ 1a KSchG lautet:


"(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden."


Diese Bestimmung ist allerdings, wie das Urteil des Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (LAG Halle) vom 27.06.2019 zeigt, nicht frei von Tücken.


Im entschiedenen Fall hatte die klagende Arbeitnehmerin (Niederlassungsleiterin) ein Kündigungsschreiben "aus dringenden betrieblichen Erfordernissen", verbunden mit einem Hinweis auf eine Abfindung von 10.000,00 € bei Verstreichenlassen der Klagefrist erhalten. Die Bestimmung des § 1a KSchG war in dem Schreiben nicht genannt.


Die Klägerin erhob keine Kündigungsschutzklage.


Symbolbild Geld

(Symbolbild)


Allerdings kam sie bei Anwendung der Rechenformel des § 1a Abs. 2 KSchG zu einem um 5.170,62 € brutto höheren Abfindungsbetrag.


Diesen Betrag machte sie schließlich klageweise geltend.


Die Klage blieb erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg.


Wie auch das LAG ausführte lag kein Abfindungsangebot im Sinne des § 1a KSchG vor.


Die Vorschrift des § 1a KSchG enthalte nämlich kein Verbot abweichender Gestaltungen.


Im vorliegenden Fall sei dem Schreiben nicht zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin nach § 1a KSchG verfahren wollte. Damit sei die Abfindung auch nicht nach § 1a Abs. 2 KSchG zu berechnen.


Ob der Klägerin bei Verstreichenlassen der Klagefrist diese Konsequenz bewusst war, ist unklar.


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