top of page
  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

LAG Hamm, 23.02.2022 - 10 Sa 492/21: Abmahnerfordernis auch bei sexueller Belästigung?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte sich in einem Urteil vom 23.02.2022 mit einem Kündigungsschutzrechtsstreit zu befassen, in dem dem klagendende, gekündigten Arbeitnehmer, der als technischer Leiter bei der beklagten Arbeitgeberin angestellt war, wegen des Vorwurfs mehrfacher sexueller Belästigung gekündigt worden war.


Drei Mitarbeiterinnen der Beklagten hatten - zusammengefasst - dem Kläger Folgendes Verhalten zur Last:


"Die Mitarbeiterin A. behauptete, der Kläger habe ihr seit Frühjahr 2018 immer wieder die Schulter getätschelt und sich häufig körperlich so sehr genähert, dass sie versuchen musste, auszuweichen. Anlässlich von Besprechungen in seinem Büro hätte er sie mehrfach aufgefordert, sich auf einen Stuhl neben ihn zu setzen, um ihr etwas am PC zu zeigen und sie dabei mehrfach am Oberschenkel berührt. Er hätte sie gebeten, auf seinem Schoß Platz zu nehmen. Auch hätte er sie drei Mal umarmt und ihr hierbei an das Gesäß gefasst. Zudem hätte er anlässlich eines Gespräches den Wunsch geäußert, mit ihr in die Sauna zu gehen. Anfang 2020 hätte der Kläger sie zunächst ignoriert und – darauf angesprochen – geäußert, sie habe ihm falsche Hoffnungen gemacht und etwas vorgespielt. Zudem hätte er sie im März 2020, als sie ihn über ihre Schwangerschaft informiert habe, gefragt, ob es sich um ein Wunschkind oder einen Unfall handle.


Die Mitarbeiterin B. schilderte ebenfalls, der Kläger hätte sie immer wieder zu Besprechungen in sein Büro gebeten und aufgefordert, neben ihr Platz zu nehmen. Dabei hätte er sich sehr genähert, so dass sie versucht hätte, auszuweichen. Wenn sie Kleider oder Röcke getragen hätte, sei sie von ihm bedrängend angestarrt worden und hätte versucht, einen Sichtschutz zu errichten. Auch hätte er sie immer wieder auf ihre Kleidung angesprochen.


Die Mitarbeiterin C. schließlich trug ähnlich vor, seit März 2017 wäre der Kläger immer wieder in ihr Büro gekommen, um ihr etwas am PC zu zeigen. Dabei hätte er sich so nah neben sie gestellt, dass sie versucht hätte, auszuweichen. Auch hätte er sie zu Besprechungen in sein Büro gebeten und sie aufgefordert, auf einem Stuhl neben sich Platz zu nehmen. Hierbei hätte er sie häufig am Arm, der Schulter oder am Oberschenkel berührt. Im Mai oder Juni 2017 hätte er nach einer Kaffeepause plötzlich seinen Arm um ihre Schulter gelegt und gefragt, wann sie sich privat träfen. Nachdem sie dieses Ansinnen abgelehnt hätte, sei sie vom Kläger zunächst ignoriert und später angegangen worden, sie sei verlogen und hätte ihm falsche Versprechungen gemacht. Diese Verhaltensweisen hätten alle drei Mitarbeiterinnen als unangenehm und belästigend empfunden."


Symbolbild Technische Abteilung

(Symbolbild)


Im Rechtsstreit stellte sich die Frage, ob die Kündigungen des Klägers bereits daran scheitern würden, dass es nicht zum Ausspruch einer Abmahnung kam.


In diesem Zusammehang stellte das LAG ausdrücklich klar, dass grundsätzlich, da ein steuerbares Verhalten vorläge, auch im Falle etwaiger sexueller Belästigungen das Abmahnerfordernis bestünde.


Es gäbe gerade


"keinen 'Automatismus', dass jede sexuelle Belästigung eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung nach sich ziehen könnte."


Im entschiedenen Fall habe das Verhaltendes Klägers selbst bei unterstellter Richtigkeit des Beklagtenvortrags nicht so schwer gewogen, dass dessen erstmalige Hinnahme durch die Beklagte für ihn erkennbar ausgeschlossen gewesen wäre.


Comments


bottom of page