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  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

LSG Potsdam, 06.05.2020 - L 18 AL 55/19: Aufhebungsvertrag und Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe

Immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage, welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages namentlich für den Bezug von Arbeitslosengeld drohen können.


In diesem Zusammenhang bietet eine Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG Potsdam) vom 06.05.2020 interessante Ausführungen zum Thema Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe versus wichtiger Grund.


Im entschiedenen Fall hatte ein 1950 geborener Kläger, der seit 01.09.1967 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand, unter dem 23.08.2013 mit seinem Arbeitgeber einen (außergerichtlichen) Aufhebungsvertrag geschlossen.


Dieser Aufhebungsvertrag sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2014 bei Zahlung einer einmaligen Abfindung von 25.000,00€ und einer Weiterzahlung der vertraglichen Vergütung ab dem widerruflichen Freistellungsmonat Spetember 2013 bis zum tatsächlichen Beendigungstermin vor.


Symbolbild Metallbau

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Der Aufhebungsvertrag wies eine Formulierung - wie man sie in dieser oder ähnlicher Weise in der Praxis in arbeitgeberseitigen Vertragsentwürfen oftmals als angebliches Allheilmittel lesen muss - auf, wonach er "zur Vermeidung einer sonst auszusprechenden ordentlichen betriebsbedingten Kündigung" geschlossen wurde.


Nachdem der klagende Arbeitnehmer sich am 24.01.2014 zum 01.04.2014 arbeitslos gemeldet hatte, teilte er auf Nachfrage der Arbeitsagentur mit, dass ihm eine betirebliche Kündigung nicht mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt wurde, "aber der wirtschaftliche Druck wurde immer höher". Er haben die Abfindung erhalten wollen.


Die Beklagte stellte dann schließlich mit Bescheiden vom 29.04.2014 für die Zeit vom 01.04.2014 bis 23.06.2014 eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe (zwölf Wochen) und für die Zeit vom 01.04.2014 bis 20.05.2014 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs wegen Erhalt einer Entlassungsentschädigung fest.


Der Kläger legte erfolglos Widerspruch ein.


Die vormalige Arbeitgeberin des Klägers hatte gegenüber der Arbeitsagentur noch unter dem 21.07.2014 mitgeteilt, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situatition und der Kurzarbeit Mitarbeiter hätten ausscheiden müssen; außerdem wäre bei einer betriebsbedingten Kündigung keine Abfindungen gezahlt worden.


Der Kläger hatte gegen den ablehnenden Widerpsurchsbescheid zunächst (erfolglos) Klage beim Sozialgericht (SG) Cottbus erhoben.


Hiergegen richtete sich die vom Kläger beim LSG Potsdam eingelegte Berufung.


Auch die Berufung blieb erfolglos.


Das LSG ging zunächst davon aus, dass die Beklagte dem Kläger zu Recht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe (§ 159 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB III) verhängt hatte.


§ 159 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB III lautet:


"(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

  1. die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),"

Denn der Kläger habe mit der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages vom 23.08.2013 das Beschäftigungsverhltnis gelöst und hierdurch seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Einen wichtigen Grund habe er nicht gehabt.


Die Arbeitslosigkeit sei hedenfalls dann grob fahrlässig herbeigeführt, wenn ein Arbeitnehmer - wie der Kläger - nicht mindestens konkrete Aussichten auf eine Anschlussbeschäftigung habe. Durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag habe der Kläger auch die wesentliche Ursache zur Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses gesetzt.


Einen im Sinne des Arbeitslosengeldrechts wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses habe er nicht gehabt. Denn dem Kläger habe damals aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgeberin und des dadurch erzwungenenen Personalabbaus nur "abstrakt" eine Kündigung gedroht. Nur eine zu denselben Beendigungszeitpunkt "konkret" drohende Kündigung hätte einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dargestellt:


LSG, aaO., Rn. 16:


"[...] Ein Aufhebungsvertrag ist zwar iSd § 159 SGB III nicht zu beanstanden, wenn eine gleichlautende rechtmäßige Kündigung des Arbeitgebers keine Sperrzeit nach sich ziehen würde (vgl BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 136/01 R = SozR 3-4300 § 144 Nr. 12). Dies ist dann der Fall, wenn ausgehend vom Datum des Vertragsabschlusses der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebs- oder personenbedingten Gründen zum gleichen Zeitpunkt hätte fristgerecht kündigen dürfen. Ein wichtiger Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag besteht also nur, wenn dem Arbeitnehmer andernfalls, wie ausgeführt, zum selben Zeitpunkt arbeitgeberseitig gekündigt worden wäre (vgl BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R – juris – Rn 19 mwN), wobei die Rechtmäßigkeit einer drohenden betriebsbedingten Kündigung insofern nicht zu prüfen ist (BSG aaO). Der wichtige Grund muss sich mithin nicht nur auf die Beendigung der Beschäftigung überhaupt oder auf die Art der Beendigung beziehen, sondern er muss sich gerade auch auf die Wahl des Zeitpunktes für die Beendigung des, Beschäftigungsverhältnisses erstrecken (vgl BSG, Urteil vom 12. November 1981 – 7 RAr 21/81 = SozR 4100 § 119 Nr. 17; BSG, Urteil vom 5. Juli 1997 – 7 RAr 22/96 = SozR 3-1500 § 144 Nr. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2019 – L 18 AL 8/19 – juris - Rn 22)"


Neben dem Ruhenszeitraum von 12 Wochen kam es im Übrigen auch zu einer Kürzung des Arbeitslosengeldanspruchs um ein Viertel der Anspruchsdauer, vorliegend mithin um 180 Tage.


TIPP:

Der vorliegende Fall zeigt deutlich auf, wie schnell ein Aughebungsvertrag trotz scheinbar günstiger Formulierung ("zur Vermeidung einer sonst auszusprechenden ordentlichen betriebsbedingten Kündigung") zu Nachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld führen kann.


(Quelle: LSG Potsdam, Urteil v. 06.05.2020, L 18 AL 55/19)


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